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Trocken oder nicht? Estrichtechnik & Fußbodenbau V 2010

 

Allein die Begriffe sorgen für Verwirrung. Trocken bedeutet von Fall zu Fall etwas anderes. Trocken bedeutet in dem Teil der Bauphysik, der die Fußbodentechnik betrifft, immer belegereif. Belegreif bezieht sich dabei aber auch immer auf einen bestimmten Belag. Daher ist es grundlegend falsch die Frage zu stellen oder auch zu beantworten: „Trocken oder nicht?“ Die Frage muss richtig heißen: „Belegreif für … oder nicht?“

Aus dieser Feststellung ergeben für Fußbodentechniker schon erste Hinweise und Fragen wie sie Schäden vermeiden können.

 

Hinweise:
1.    Belegreif ist nicht Trocken
2.    Belegreif bedeutet, dass der Estrich noch Wasser verlieren kann
3.    Welches Beläge dürfen bei „Belegreife“ verlegt werden

 

Fragen:
1.    Wie viel Wasser kann der Estrich verlieren?
2.    Für welchen Belag ist der Estrich belegereif?
3.    Welche Maßnahmen sind erforderlich einen Belegreifen Untergrund zu erhalten?

 

Die Frage wie viel Wasser der Estrich noch verlieren kann ist relativ schwierig zu beantworten. Eine pauschle Antwort gibt es nicht. Abhängig von Bindemittel, Klima und Liegezeit verlieren Estriche Wasser.

Sie trocknen jeweils bis zur der Ausgleichsfeuchte, die sich beim jeweiligen Umgebungsklima, einstellt. Ausgleichsfeuchte bedeutet, dass sie nicht wirklich „Trocken“, also frei von Wasser sind. Sondern sie geben mit erreichen der Ausgleichsfeuchte kein Wasser mehr ab.

Ändert sich Klima jedoch, dann ändert sich auch der Wassergehalt. Relevant für Estrich- und Fußbodenleger ist immer, dass die abgegebene Wassermenge unschädlich für den Belag ist. Wie viel Wasser, bei einem bestimmten Klima im Estrich gebunden sein kann, lässt sich materialspezifischen Sorptionsisotherme entnehmen.

Schädlich für Beläge ist das Wasser, welches der Estrich bis zur Belegreife verliert. Das Wasser, welches er danach verliert, darf für den Bodenbelag nicht mehr schädlich sein. Aber hier gibt es belagsspezifische Unterschiede, die berücksichtig werden müssen.

Verantwortlich für die Schäden sind nicht allein die Fußbodenleger, die die Estriche viel zu früh belegt haben. Estrichleger, Bauchemie, Planer und Bauleiter klären häufig nicht korrekt auf und betrachten nur ihre eigenen Gewerke, Produkte und Interessen.

Meinen Beobachtungen nach, gibt es bei Feuchteschäden praktische immer mehrere Mitwirkende. Insbesondere dann wenn Sondersysteme eingesetzt werden.

Ursachen für Feuchteschäden sind u.a.:

 

Estrichleger Bauleiter / Bauherr Bauchemie Bodenleger
Mörtelherstellung Baustellenkoordination Produktempfehlung Feuchtemessung
Produkte Termindruck Produkte Produkte
Estrichstärke Termindruck
Termindruck
Kein oder falscher Informationsaustausch

Gerade der Informationsaustausch führt zu vermeidbaren Schäden. Doch leider werden Informationen häufig bewusst, meiner Meinung nach, bis zum Vorsatz reichend, zurück gehalten.

 

Aus der Praxis:

An mich wurde die Frage gerichtet, warum bei ein 50 mm starker Estrich der seit 16 Wochen eingebaut, nicht belegreif sein soll. Es würde seit Einbau alles dafür getan, dass der Estrich trocknet. Auftraggeber und Architekt vermuteten, dass der Bodenleger den Estrich absichtlich „nass“ messen würde.

Mit Wissen, dass es, gerade dann wenn die Auftragslage erforderlich macht, auch dazu kommen kann habe ich Ortstermin wahrgenommen. Warum auch nicht, 16(!) Wochen optimales Klima gibt es ja auch an keiner Baustelle, sondern nur in den Trockenkammern der Prüfinstitute.

Rein augenscheinlich hat es sich um einen Fließestrich gehandelt. Dass es sich jedoch um einen Zementfließestrich handelte, konnte ich augenscheinlich nicht feststellen. Weder Farbe, Kornmatrix oder Oberfläche haben mir einen Hinweis gegeben. Erst auf Nachfrage konnte ich die richtige Probemenge [50g] entnehmen und für die CM-Messung einwiegen.

Deutlich sichtbar waren für mich Spuren von verschüttendem Wasser. „Ein“ Bautrockner war „gerade“ übergelaufen.

In einem anderen Raum war der Estrich nur noch halb zu sehen, weil der Deckenbauer „gerade“ sein Material angeliefert bekam. Seltsam nur, dass unter den Deckenplatten, die mit Folie eingepackt waren, der Estrich dunkel gefärbt war.

Im nächsten Zimmer wurde der Estrich zur Sicherheit abgedeckt, damit er nicht verschmutz.

Bei ca. 800 m² Fläche war ich natürlich davon ausgegangen, dass der Einbau in einer Woche erfolgte. Auch Falsch, der Einbau erfolgte über 4 Wochen. Selbst die Zimmer wurden nicht nach einander belegt, sondern es wurden Flächen ausgelassen, übersprungen und später nachgeholt.

Wegen der zu erwartenden Nutzung wurden die Estriche auf Trennlage verlegt. Höhendifferenzen in der Rohdecke wurde mit Kenntnis und auf Veranlassung der Bauleitung mit dem Estrich ausgeglichen.

Bei zwei CM-Feuchtemessungen nach BEB Vorgabe, konnte ich dann eine Estrichstärke von 55 und 85 mm feststellen. Mit meiner Meinung nach, jeweils korrespondierenden Restfeuchten von 1,8 und 2,8 CM %.

Wichtige Fragen für schadensfreies Bauen:

Die folgenden Informationen sollten zur Beurteilung der Belegereife vorliegen:

Estrichart, Einbaudatum der Hauptflächen, Fertigstellung von Nebenflächen, Nennstärke, Ist-Stärke, Maximalstärke, Messverfahren, Messablauf, Fußbodenheizung, Art des Heizprotokolls, Klimatische Bedingungen seit Einbau, Bautenstand, Belagsart, Messprotokolle von Vorgewerken, Abdichtungen, Sonderaufbau, Besonderheiten (Wasserschäden u.s.w.)

Nach Auswertung dieser Fragen, kann der Fußbodenleger entscheiden, ob der Estrich belegreif ist oder nicht. Ist der Estrich nicht belegreif, können Maßnahmen ergriffen werden. Technische Trocknungen gehören in die Hand von Fachleuten. Die notwendigen Geräte müssen nicht nur richtig dimensioniert und aufgebaut, sondern vor allem muss die Trocknung überwacht werden.

 

Fazit:

Selbst bei relativ einfachen und überschaubaren Projekten sind durchaus Kombinationen möglich. Nicht alle Räume müssen Fußbodenheizung haben. Schnellsysteme müssen nicht in allen Räumen verlegt sein, schon gar nicht die gleichen. Ohne Antworten auf die o.g. Fragen zu haben, sollte kein professioneller Fußboden- oder Estrichleger in der Lage sein zu beurteilen, ob der Estrich belegereif ist.

Praxistipp:

Feuchtemessungen werden von Estrich- und Bodenlegern, Vertreter der Bauchemie und Sachverständigen durchgeführt. Hierzu findet ein Ortstermin statt. Zu diesem Orttermin sollten mindestens Bauherr und Bauleiter schriftlich eingeladen werden. Die Feuchtemessung muss am ungünstigsten Einbauort durchgeführt werden. An dem Ort statt finden, an dem der Estrich erwartungsgemäß nass und nicht belegreif ist, also am ungünstigsten Ort. Genau hierüber sollte der für Messung und Bewertung Verantwortliche aufklären und informieren.

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